Woyzeck

nach Georg Büchner / Musik: Tom Waits & Kathleen Brennan

Woyzeck

Städtische Bühnen Münster 2011 • Bühne: Manfred Kaderk, Kostüme: Valentina Crnkovic • Musikalische Leitung & Arrangement: Friederike Bernhardt

Ausdrucksstarke Theater-Bilder, eingängige Songs, und ein kreatives Ensemble unterhielten am Samstag das Publikum in Münster bezwingend. Im Großen Haus der Städtischen Bühnen inszenierte Regisseur Alexander Schilling den „Woyzeck" Georg Büchners als abgründiges Musical …
Zudem bietet der Münsteraner „Woyzeck" eine Sternstunde der Bühnen-Gestaltung. Manfred Kaderk hat einen voluminösen achteckigen Tunnel erschaffen, der sich in der ausgreifenden Tiefe des Raums verjüngt: eine imposante Installation als Laufbahn der getriebenen, irrenden Charaktere.

Alexander Reuter, Die Glocke

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Ein begeistertes Premierenpublikum applaudierte nach zwei Stunden pausenlosen Spiels anhaltend einer intensiven darstellerischen und musikalischen Gesamtleistung.
Den Soldaten Woyzeck spielt Tim Mackenbrock als den netten, wenn auch etwas eigenen Kerl von nebenan. Wenn sein Privatleben in Ordnung ist, kann ihm scheinbar nichts etwas anhaben. Unverdrossen rasiert er seinen fetten Hauptmann (Frank-Peter Dettmann), klaglos ernährt er sich von Erbsen für ein Forschungsprojekt des dürren Doktors (Johannes-Paul Kindler), dessen Wissensdrang sich von der Humanität abgekoppelt hat.
Woyzeck will nicht sehen, dass nicht nur seine Welt, sondern auch sein Privatleben nicht in Ordnung ist. Wenn er vorne an der Rampe sitzt und in seinem falschen Zweckoptimismus davon träumt, dass alles gut ist, zieht sich hinten Marie (Carolin M. Wirth), seine Geliebte und Mutter seines Kindes, für den virilen Tambourmajor (Marek Sarnowski) aus; Woyzeck gibt sich - „All the world is green" - schnulzigen Phantasien hin, Marie dem Tambour. Als ihm ihr Fehltritt hinterbracht wird, knallt Woyzeck durch und bringt Marie um.
… Dass er ohne die Zweit- und Drittjobs seine Familie nicht ernähren könnte, ist eher impressionistisch mit den Figuren des Hauptmanns und des Doktors angedeutet. Der Dicke und der Dürre haben nicht das Format, den gesellschaftlichen Zwangs- und Ausbeutungscharakter zu verkörpern. Auch Marie ist nicht von ihrer sozialen Randlage als Hure gezeichnet. Sie erscheint in ihrem roten Kleidchen als moderne junge Frau, die auch einmal ihrem Alltag entkommen und einfach Spaß haben möchte.
Woyzeck selbst gibt das Bild eines Menschen ab, der von der Komplexität der Gesellschaft überfordert ist. Wenn seine scheinbar heile Welt zerbricht, dann schlägt er blind um sich, weil er die wahren Ursachen seines Desasters nicht erfasst.
Nur am Rande scheint als die gesündere Alternative zu Woyzeck dessen alter ego, der realistische Andres (Ilja Harjes) auf. Während er Woyzeck sarkastisch empfiehlt, sein Unglück in Alkohol zu ertränken, hortet er selbst nüchtern panzerbrechende Waffen für einen Aufstand.
Die Bühne Manfred Kaderks ist leicht gebaut und durchaus sturmreif. Sie bildet einen abstrakten Zwangsraum aus trichterförmig sich in die Bühnentiefe verengenden Sperrholzwaben. An ihren dünnen Wänden laufen Woyzeck und Marie vergeblich hoch. Schmerzhaft rutschen sie immer wieder ab, aussichtslos dem Ende des Trichters entgegen, wo Woyzeck schließlich wie unbeteiligt seine Mordtat vollbringt.

Hanns Butterhof, Recklinghäuser Zeitung

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Die Lieder sind ein weiterer Glanzpunkt in Münster. Die Schauspieler interpretieren schnulzig, abgründig, zynisch, kehlig. Die fünfköpfige Band um Friederike Bernhardt parodiert mit lautmalenden Effekten auf Nagelklavier, Schlagwerk, Gitarre, Tuba - klimpernd, wummernd, mit harten Akzenten und schlingernden Dissonanzen.

Anke Schwarze, Westfälischer Anzeiger

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Die Aufführung in der Regie von Alexander Schilling ist künstlerisch überzeugend, das Bühnenbild grandios, die Musik mitreißend und professionell gespielt, das Ensemble mit vollem Körpereinsatz bei der Sache. Ein toller Abend, der das Stück von Georg Büchner jungen Zuschauern nahe bringen wird und zu Recht gefeiert wurde. … 
Das Bühnenbild von Manfred Kaderk ist ein wabenförmiger grauer Tunnel ins Nichts, der im Laufe des Abends immer länger wird. Grelles Neonlicht im Zuschauerraum verstärkt den Eindruck einer ausweglosen Labor-Situation. Auf den schrägen Ebenen des Tunnels rutschen die Darsteller immer wieder ab. 
Woyzeck und Marie stehen dabei als realistisch gezeichnete Menschen den Parodien ihrer Peiniger gegenüber. Tim Mackenbrock gibt den als Versuchskaninchen und Lustobjekt missbrauchten Soldaten zunächst als sympathischen Burschen, später als zynisch Wissenden. Carolin M. Wirth muss als seine treulose Marie sehr viel Nacktheit und Brutalität aushalten, sie bewältigt die Rolle bravourös und findet die richtige Mischung aus Opfer und Verführerin. …
Dieser "Woyzeck" ist gerade für ein modern gestimmtes Publikum eine Empfehlung.

Manuel Jennen, Münstersche Zeitung

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Darsteller

Tim Mackenbrock, Carolin M. Wirth, Frank-Peter Dettmann, Johannes-Paul Kindler, Marek Sarnowski, Ilja Harjes, Kathrin-Marén Enders, Johann Schibli

Band: Friederike Bernhardt, Christoph Beck, Tobias Reisige/Geo Schaller, Bastian Ruppert, Tobias Schütte/Alex Morsey

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